Für Stuttgart spezifisch sind die Treppen (Stäffele) die in der langgezogenen Tallage des Stadtzentrums (dem „Kessel“) wichtige Querverbindungen für den Fußverkehr darstellen, deren Nutzung in den letzten Jahrzehnten aus verschiedenen Gründen jedoch zugunsten des motorisierten Individualverkehrs zurückging. Diese Querverbindungen sind zusätzlich häufig auch von Nutzungskonflikten und Gefahrensituationen betroffen und zudem als Schulwege von Bedeutung. Als Beispiel dafür und als mögliches Living-Lab bietet sich die Verkehrssituation rund um das sogenannte Schubart Stäffele an, insbesondere im Bereich von größeren Kreuzungen auf welchen (bestehende bzw. geplante) Hauptfußwegverbindungen und Hauptradrouten mit innerstädtischen Verbindungs- und Erschließungsstraßen sowie teils auch mit dem hochrangigen Straßennetz kollidieren. Das Gebiet im Stuttgarter Osten kann auf den Straßenbereich der Werastraße zwischen bzw. inklusive der Kreuzungsbereiche Landhausstraße/Werfmershalde/Werastraße/Schubartstäffele sowie Werastraße/Schubartstraße und Werastraße/Stotzstraße/Stotzstäffele etwas genauer definiert werden.
Der Fokus könnte hier, neben der Analyse, Simulation und Visualisierung von
Konfliktsituation zwischen den unterschiedlichen Verkehrsteilnehmerinnen auch auf den Bereichen der Orientierung und Wegfindung (z.B. über Netzwerkanalysen, Stress-Sensorik, Abstandsmessungen etc.) sowie der Neuorganisation von Wegeführungen, Gestaltung von Verkehrsflächen und Freiräumen sowie der Strukturierung (z.B. durch Stadtmöblierung, Pflasterung, Kunst im öffentlichen Raum etc.) liegen.
Als weiteres mögliches Living Lab konnte der Marienplatz als zentraler städtischer Platz mit komplexer Ausgangslage: Im südlichen dicht bebauten Bereich des Stuttgarter Kessels treffen nicht nur Straßen unterschiedlicher Hierarchie auf den Platz, sondern auch die Hauptradroute 1 des Stuttgarter Radverkehrsnetzes ausgebaute Tübinger Straße, die zugleich stark von Fußgängerinnen genutzt wird und im Fußverkehrskonzept der Landeshauptstadt als 2,8 km lange Hauptfußwegeverbindung 7 im Fokus der Maßnahmen zur Stärkung des Fußverkehrs definiert ist. Sowohl der Marienplatz als auch die angrenzenden Straßenzüge, insbesondere die Tübinger Straße, sind als Ausgehviertel beliebt. In diesem Bereich befindet sich auch der Schnittpunkt der Flanierrouten 8, 9 und 12. Zudem stellt der Platz einen wichtigen innerstädtischen öffentlichen Verkehrsknoten mit U-Bahn, Zahnradbahn und Busstationen sowie Taxistandplatz dar. Die aktuelle Situation kann als unübersichtlich bezeichnet werden, Konflikte zwischen Fuß-, Rad- und Automobilverkehr sowie aus- und einsteigenden Fahrgästen der öffentlichen Verkehrsmittel sowie der Lokalszene sind häufig. Die Stadt Stuttgart ist daran interessiert, diesen Bereich für alle Verkehrsteilnehmerinnen neu zu organisieren, um Gefahren zu reduzieren. Dies macht die bestehende Ausgangssituation sowohl für die Projektpartnerinnen als auch für die Stadt Stuttgart als assoziierte Partnerin als Living Lab interessant: Hier könnten, neben der Analyse der bestehenden Situation (Stressmessung, Sensorik, Netzwerkanalysen etc.) unterschiedliche Szenarien virtuell dargestellt werden und mittels Simulation und modalem Filter vorab getestet sowie anschließend im physischen Raum temporär getestet werden, zum Beispiel mithilfe von Markierungen, Absperrungen, Leitkegel oder anderer Gestaltung.
Im dicht bebauten Gründerzeitviertel des Stuttgarter Westens unweit der Nachbarschaft Feuersee befindet sich das Gutenbergplätzle, gelegen an einer Hauptradroute und der Flanierroute 7, definiert durch die Gutenbergstraße, Hasenbergstraße und Vogelsangstraße. In diesem Bereich wurden bereits Planungsmaßnahmen begonnen, die relativ weit fortgeschritten sind (Umsetzungshorizont von ca. 2-3 Jahren). Die Nutzung des Platzes ist stark heterogen. Neben angrenzenden Lokalen wird die eigentlich für Fußgänger gewidmete Fläche aufgrund der schwierigen Parkplatzsituation im Quartier als Abstellplatz für Fahrräder und Motorräder verwendet. Abhilfe schaffen soll eine Fahrradgarage, die in unmittelbarer Nähe des Platzes vorgesehen ist und nach der Durchführung eines Wettbewerbs umgesetzt werden soll. Auch umliegende Gehwege werden durch den motorisierten Individualverkehr bzw. den ruhenden Verkehr beeinträchtigt. Dies beeinflusst auch die Sicherheit durch schlechte Einsehbarkeit der Kreuzungsbereiche, Querungsmöglichkeiten und Sichtbarkeit. Dazu kommt ein hoher Bedarf an öffentlichen Frei- und Grünflächen und Anforderungen zu multimodaler Nutzung.
In diesem Falle könnte ein Living Lab aktiv im Umsetzungsprozess dazu beitragen, die Maßnahmen evidenzbasiert zu begleiten und Vergleiche zwischen dem Status-Quo und des Umbauergebnisses zu analysieren. Außerdem bietet sich die Möglichkeit an, Planungs- und Entscheidungsunterstützung in Wettbewerbsprozessen zu einzelnen
Maßnahmen den Straßenraum und Platz betreffend durch Analyse (Stressmessung, Abstandsmessung, Netzwerkanalysen etc.), Simulation, und Visualisierung in VR zu
implementieren.