Digitale Repräsentationen von materiellen oder immateriellen Objekten aus der realen Welt
Im Allgemeinen stellen Digitale Zwillinge eine große Chance im Bereich der digitalen Werkzeuge dar. Angereichert mit quantitativen und qualitativen empirischen Daten können Digitale Zwillinge als erfolgversprechender Ansatz gesehen werden um nicht nur der urbanen Komplexität gerecht zu werden, sondern auch die Involvierung von Bürgerinnen und Bürgern in den Planungsprozess voranzutreiben. Digitale Zwillinge sind digitale Repräsentationen von materiellen oder immateriellen Objekten aus der realen Welt, wie beispielsweise Maschinen. Sie ermöglichen umfassenden Datenaustausch und können Modelle, Simulationen wie zum Beispiel Verkehrssimulationen in Echtzeit, Bewegungsmuster etc. (vgl. Digitaler Zwilling der Stadt Herrenberg) und Algorithmen enthalten, die das Gegenstück aus der realen Welt beschreiben (Kuhn, 2017). Ein Digitaler Zwilling ist keine exakte Kopie. Das ergibt sich aus einem klassischen Dilemma der Modellierung, da Modelle immer einen bestimmten Abstraktionsgrad besitzen.
Der Begriff “Digitaler Zwilling” wurde zuerst im Maschinenbau geprägt und verwendet wo er bereits seit einigen Jahren Anwendung findet. Die Implementierung von Digitalen Zwillingen in der Stadtplanung wird erst seit Kurzem diskutiert (Batty, 2018). Zur Unterstützung der realen Wahrnehmung können Digitale Zwillinge in Virtueller Realität dargestellt werden. Die Immersion unterstützt Beteiligte die Komplexität Digitaler Zwillinge zu verstehen und sich an Planungsprozessen zu beteiligen (Dembski et al., 2019). Gesteigert wird die Immersion durch eine intuitive Bewegungssteuerung in der virtuellen Realität. Statt mit Tastatur und Maus kann der Nutzer zum Beispiel auf einem realen Fahrrad sitzend den virtuellen urbanen Raum erleben.
Extraktion von relevanten Szenarien und Umsetzung in der virtuellen Realität (VR)
Sofern die untersuchten Orte nicht schon als digitaler Zwilling vorliegen, werden diese mit den relevanten Elementen (Verkehrsraum, Verkehrsteilnehmer, Ampelschaltungen, Umgebung) realitätsnah modelliert. Der Verkehr und die aufgenommenen Situationen werden hier durch intuitive Interaktion wie mit dem Fahrradsimulator erlebbar. Die aufgenommenen Verkehrsdaten bestehen zunächst aus Art der Verkehrsteilnehmer, Trajektorien und gegebenenfalls zusätzlichen Sensorwerten. Die Speicherung im standardisierten OpenSCENARIO-Format ermöglicht eine breite Nutzung der generierten Szenarien und auch eine weitere Abstraktion und Klassifikation. Die Ähnlichkeit und Häufigkeit der erfassten Situationen und eine Einordnung der Gefährlichkeit und Konfliktpotenzials nach der Verteilung der Werte im Parameterraum eines funktionellen Szenarios und die damit verbundene massive Datenreduktion auf das Wesentliche lässt eine tiefgehende Analyse der Lokalität zu.
Entwicklung von Varianten für den virtuellen Verkehrsraum
Die Stadt Herrenberg liegt im virtuellen Modell bereits vor (vgl. Bauwelt, 2018). Naturgemäß müssen derlei Modelle parallel zur Stadtentwicklung permanent adaptiert und erweitert werden. Entscheidungen zur Optimierung bestimmter Teile der analysierten Radinfrastruktur können im virtuellen Modell jedoch relativ einfach umgesetzt und sehr anschaulich dargestellt werden.
Simulationen und ihre Visualisierungen bieten die Möglichkeit, Visionen zu illustrieren und räumlich erleb- und erfahrbar zu machen. So lassen sich beispielsweise Änderungen bei geplanten Baumaßnahmen oder Veränderungen bzw. Verbesserungen der aktuellen Situation darzustellen. Zusätzliche Markierungen, bauliche Ergänzungen wie Poller oder auch tief greifendere Maßnahmen wie ein Hochbordfußweg lassen sich in der Simulation schnell umsetzen. Auch Elemente, die nicht vordergründig als Verkehrsinfrastruktur wahrgenommen werden wie Pflanzen, Sitz- und Spielgelegenheiten oder Kunstwerke können so platziert werden, dass sie sich positiv auf das Verkehrsverhalten auswirken.